Kontaktlinsen bekommt man heute überall. Sie liegen im Drogeriemarkt im Regal und sind ein Artikel geworden, mit dem sich jeder sehr schnell und unproblematisch versorgen kann, nicht anders als beim Einkauf von Duschgel und Bodylotion. So einfach erscheint es dem Kunden. Er muss nur seine ungefähren Brillenwerte wissen und greift einfach zu. Eventuell beschäftigt er sich noch mit der Frage nach dem Material, um einem etwaigen Trockenheitsgefühl vorzubeugen, aber das unterscheidet sich gefühlt kaum von der Frage "Duschgel für normale Haut oder für trockene Haut". Aber ist das wirklich so einfach? Und warum gibt es dann noch individuelle Kontaktlinsen und die Spezialisten, die sie anpassen?
Zuerst einmal vorweg: Die Kontaktlinsen, die der Kunde heute im Drogeriemarkt oder manchmal sogar im Supermarkt in Deutschland kaufen kann, sind nicht grundsätzlich schlecht. Oft sind es Produkte großer Hersteller, die dort in hohen Stückzahlen eingekauft und deshalb recht günstig angeboten werden, aber die Qualität der Kontaktlinse selbst muss deshalb nicht schlecht sein.
Die Probleme, die mit diesen Linsen auftreten können, sind somit nicht abhängig vom eigentlichen Produkt, sondern eher, ob das Produkt und das Auge tatsächlich zusammenpassen. Es ist nämlich tatsächlich doch nicht ganz so einfach, die richtige Kontaktlinse auszuwählen, wie die richtige Bodylotion zu finden, und die Konsequenzen der langfristigen Verwendung des "falschen" Produkts sind viel weitreichender.
Doch was kann an diesen Kontaktlinsen nicht passen?
Als erstes ist da natürlich immer ein Fragezeichen bei der Stärke. Die wenigsten Brillenträger, kennen ihre Stärke genau, können unterscheiden zwischen Kurzsichtigkeit und Astigmatismus oder wissen warum diese in einer bestimmten Achse korrigiert werden sollte. Noch weniger Menschen wissen dann noch, dass gerade bei höheren Brillenstärken berücksichtigt werden muss, dass die Kontaktlinse viel näher am Auge korrigiert, somit ist nicht mehr Brillenstärke=Kontaktlinsenstärke. Die Folge ist unter Umständen, ein schlechteres, anstrengenderes Sehen mit den ausgewählten Kontaktlinsen, welche Folgen das im Straßenverkehr haben kann, kann sich jeder vorstellen.
Aber es ist nicht nur die Stärke: Viel dramatischer ist das Thema Passform. Alle auf dem Markt befindlichen Tages- und Monats-Kontaktlinsen haben trotz Packungsangaben, die zwischen BC 8,30 und 9,20 (je nach Anpassempfehlung) schwanken, eine ziemlich standardisierte Form. Das heißt, sie passen einem Großteil der Bevölkerung, deren Mittelwert der Hornhautradien einmal ermittelt wurde. Die Menschen, deren Hornhautradien von diesem Mittelwert deutlich abweichen, bekommen keine passende Kontaktlinsen in diesem Angebot UND sie wissen das nicht. Unsere Hornhautform ist uns anders als unsere Schuhgröße nicht bekannt. Die Folge sind Kontaktlinsen, die entweder viel zu beweglich auf dem Auge schwimmen und dezentrieren, was wiederum zu schlechterem Sehen führt, oder zu enge Kontaktlinsen, die sich nicht mehr bewegen, Abdrücke auf dem Auge hinterlassen und die Versorgung der Hornhaut massiv einschränken können - und das bei hervorragendem Tragekomfort, da die Linse mangels Bewegung nicht spürbar ist. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Gesundheit des Auges!
Jetzt könnte man tatsächlich meinen, dass die Anzahl der Menschen, denen die standardisierten Kontaktlinsen nicht passen, vermutlich eher gering ist. Hinzu kommen aber noch weitere Faktoren:
In unserer Praxis sehen wir täglich Menschen, die trotz passender Form der Hornhaut mit standardisierten Kontaktlinsen nicht zurecht kommen. Dies betrifft in erster Linie Menschen, die unter stärkerer Trockenheit am Auge leiden (z.B. nach viel PC-Arbeit oder als Nebenwirkung von Medikamenten oder hormonellen Schwankungen) und Menschen, die optisch mit den Standard-Linsen nicht zufrieden sind (höhere Astigmatismen, schiefe Achslagen, Presbyopie...). Für all diese Menschen machen individuelle Lösungen viel mehr Sinn. Hier kann man über die Auswahl von Materialien, Durchmessern, Krümmungen und individueller Stärke oftmals die Schwierigkeiten durch eine perfektionierte Anpassung lösen, ohne sich dabei zwingend von der weichen Kontaktlinse verabschieden zu müssen. Hier kommen dann individuelle weiche Jahres- oder Halbjahreslinsen zum Einsatz. Generell ist aber natürlich ein Umstieg auf formstabile Kontaktlinsen auch möglich. Diese werden bei uns IMMER individuell angepasst und sind für den Kunden nach Maß gefertigt. Sie ermöglichen dann auch eine Versorgung von irregulären Hornhäuten nach Erkrankungen, Vernarbungen etc.
Individuelle Kontaktlinsen machen also auch oder gerade zur heutigen Zeit immer mehr Sinn. Und die Menschen, die mit einer individuellen Kontaktlinse versorgt sein wollen, um den besten Komfort bei optimaler Versorgung der Hornhaut und gleichzeitig bestmöglicher Sehleistung zu erreichen, werden immer mehr, denn die Anforderungen an unser Sehen steigen ständig.
Eine Beschäftigung mit diesem Thema macht demnach für uns und sicher auch für Sie immer mehr Sinn! Besuchen Sie dazu auch gern einen unserer angebotenen Workshops. Schauen Sie gleich rein auf unserer Website in Ihrem Augenarzt-Bereich, denn die Teilnehmerzahl ist begrenzt!
In den nächsten MWnews beschäftigen wir uns mit dem Thema Presbyopie. Die Nachfrage nach Kontaktlinsen für diese Patientengruppe steigt in unserem Institut stetig an. Was multifokale Linsen heute können und was nicht, und für wen diese Linsen geeignet sind, werden wir dann an dieser Stelle näher beleuchten.